Vereinsgeschichte

der Schwarzenbeker Liedertafel von 1843 e.V.

In einer Zeit des Fernsehens und anderer Medien, in der alle Lebensbereiche einer sehr kritischen Um- und Neuorientierung unterzogen werden, tritt oftmals das Geschehen in den kleineren Gemeinschaften weiter zurück. Und doch entfalten sich gerade in ihnen die bleibenden und wahrhaft befriedigenden Werte der persönlichen und der menschlichen Verbundenheit im fruchtbaren Streben nach dem gemeinsamen Ziel. So tragen diese kleineren Verbände auf ihre Art zu einer wahren Volkskultur bei.

Die "Schwarzenbeker Liedertafel" hat während ihrer 165jährigen Geschichte, die mit dem Jahre 1843 beginnt, diese hohe Aufgabe durch ihre hingebende Pflege des "Deutschen Liedes" und der Chormusik im allgemeinen stets vor Augen gehabt. Wie sie die wechselvollen Jahrzehnte seit ihrer Gründung in guten und schweren Tagen durchstand, sei nachfolgend dargestellt.

"In Schwarzenbek ist unter dem Namen SCHWARZENBEKER LIEDERTAFEL im Herbste (Oktober) 1843 ein Verein von Männern zusammengetreten, um wöchentlich einmal unter Leitung eines dazu befähigten Directors zu mehrstimmigen Gesangsübungen zusammen zu kommen und sind von denselben unterm heutigen Dato nachfolgende Statuten entworfen und angenommen worden."

So lautet der erste Absatz im Gründungsprotokoll der uns überlieferten Statuten. In dem damals noch sehr ländlichen und stillen Schwarzenbek strebte man nach einer guten menschlichen und geselligen Dorfgemeinschaft. So ging der Anstoß zur Gründung des Vereins gewiß von den alteingesessenen Familien des Dorfes aus, denn ein Männergesangverein schien zeitgemäß das Gegebene. Für das Entstehen dieser frühen Vereine mögen auch landespolitische Gründe eine Rolle mitgespielt haben, sammelten sich doch zu jener Zeit in den politisch unverdächtig erscheinenden Gesangvereinen patriotisch denkende Männer, die die Herzogtümer Schleswig und Holstein von der dänischen Herrschaft zu befreien trachteten. So entstanden 1840 die Uetersener Liedertafel, 1842 die Vereine in Ratzeburg und Lauenburg, 1843 in Mölln, Schwarzenbek und Trittau und 1844 in Bad Oldesloe. Auf einem Sängerfest in Schleswig wurde übrigens 1844 zum ersten Male das "Schleswig-Holstein-Lied" gesungen.

Die Gründungsversammlung der "Schwarzenbeker Liedertafel" bestand aus 35 aktiven Mitgliedern, darunter gibt es viele Familiennamen, die heute noch in unserer Stadt vertreten sind. Der erste Vorstand wurde aus den Herren Hofjägermeister von Binzer, Förster Thaulow, Apotheker Block und Sekretär Voigt gebildet. Durch Beschluß der Generalversammlung vom 23. Dezember 1844 wurde der Name des Vereins in "Sachsenwalder Liedertafel" geändert, wohl weil die Sachsenwaldgemeinden Brunstorf, Aumühle, Dassendorf, Friedrichsruh, Kasseburg und Basthorst einen großen Teil der Mitglieder stellten. Am 10. Januar 1845 wurde die Anfertigung eines Banners beschlossen und einem Hamburger Maler die Ausführung übertragen. Die Kosten wurden durch freiwillige Beiträge der Vereinsmitglieder aufgebracht und das Banner nach Ablieferung am 24. Januar 1845 mit 150 Mk. Curant bezahlt.

Eckpfeiler in den ersten Jahrzehnten des Vereinslebens war die Entstehung der ersten überlieferten Satzungen, gewissermaßen als Symbol der gesunden Weiterentwicklung. Einige Besonderheiten aus diesen Satzungen seien hier wiedergegeben:

"In dem Willen der Gesamtheit geht der Wille des Einzelnen unter und hat sich demnach jeder Einzelne den Beschlüssen der Gesamtheit zu unterwerfen. Als Mitglied kann jeder sich anständig betragende Mann, ohne Unterschied des Standes, aufgenommen werden, jedoch muß der Betreffende eine angemessene Stimme und einige musikalische Bildung besitzen, worüber der die Singübungen leitende Director zu entscheiden hat.

Zu den Singübungen versammeln sich sämtliche ordentlichen Mitglieder der Liedertafel in dem dafür bestimmten Locale jeden Dienstag Abend so früh, daß präzise 7 Uhr nach der Amtsuhr die Singübungen beginnen können. Während der Gesangsübungen darf nicht geraucht, nichts verzehrt werden und auch Hunde entfernt zu halten sind!

Zu den Vereinsfesten kann jedes Mitglied eine Dame und jede Witwe einen Herrn einführen. Weitere erwerbsfähige Söhne über 20 Jahre können nicht eingeführt werden."

Nichterscheinen zu den Übungsabenden ohne triftige Entschuldigung wurde mit einem Bußgeld von 4 Schillingen geahndet, desgleichen Zuspätkommen zu den Übungsabenden mit einer Strafe von 2 Schillingen. Sehr schnell stieg die Zahl der aktiven und passiven Mitglieder, obwohl die Aufnahmebedingungen recht streng waren: Jeder Aufnahmesuchende mußte mindestens zwei Bürgen benennen, die seinen Antrag unterstützten und sich für das betreffende Neumitglied verbürgten. Durch Ballotement, einem Abstimmungssystem mit weißen und schwarzen Kugeln, wurde über den jeweiligen Aufnahmeantrag entschieden. Aktive Mitglieder mußten sich einer musikalischen Eignungsprüfung unterziehen, und die Mitgliedsbeiträge und das sogenannte Eintrittsgeld waren für die damaligen Verhältnisse ganz beachtlich.

Geschäftsleute, Beamte, Pastoren und sonstige Honoratioren aus Schwarzenbek und den umliegenden Gemeinden rechneten es sich zur Ehre an, dem Schwarzenbeker Männergesangverein anzugehören. So finden wir unter den damaligen Mitgliedern auch Namen bekannter Adelsträger, wie v. Moltke, v. Waßmer, v. Vetho, Graf v. Ahlefeld, v. Rumohr und Amtmann v. Brackel. Entscheidend für die Aufnahme waren jedoch nicht Rang und Namen, sondern allein die musikalische und moralische Befähigung.

Bald wurde der Schwarzenbeker Männergesangverein zum Mittelpunkt kulturellen Wirkens für Schwarzenbek und die umliegenden Gemeinden. Auf der Generalversammlung vom 16. Februar 1858 wurde der Beschluß gefaßt, den Verein wieder unter seinem alten Namen "Schwarzenbeker Liedertafel" weiterzuführen. Die Protokolle aus den Jahren 1865-1881 sind leider nicht mehr auffindbar, jedoch vermitteln uns Programme und Korrespondenz aus den späten Jahren sowie die Mitbegründung des "Niedersächsischen Sängerbundes" am 10. Juni 1862 durch unseren Verein eine Vorstellung von der Aktivität und dem Wirken desselben.

Noch 1890 war es Vorschrift, daß die Vereinsstatuten einer amtlichen Beglaubigung unterlagen. So wurden die neugefaßten Statuten vom 5. Juni 1890 durch den damaligen Amtsvorsteher wie folgt beglaubigt: "Gegen diese Satzungen ist polizeilicherseits nichts zu erinnern." Nach außen trat der Verein wiederum durch seine frohen Feste, seine Teilnahme an Jubiläen und Sängerfesten der benachbarten Vereine sowie durch die Ausschmückung froher und trauriger Anlässe im Gemeinschaftsleben in Erscheinung.

Statuten
Auszug aus der Gründungssatzung

Ein denkwürdiger Tag in der Geschichte der Schwarzenbeker Liedertafel war sicherlich der 26. März 1895, als der Männerchor anläßlich des Besuches von Kaiser Wilhelm II. in Friedrichsruh dem Kaiser und dem Altreichskanzler Fürst von Bismarck ein Ständchen darbrachte. Ebenfalls im Jahre 1895 wurde die Anfertigung eines zweiten Banners beschlossen, das am 23. August 1896 feierlich eingeweiht wurde und heute noch bei Konzerten und festlichen Anlässen seinen Ehrenplatz hat. Den Schwarzenbeker Nachrichten vom 25. August 1896 über die Fahnenweihe ist zu entnehmen, daß zu diesem Zeitpunkt zwei weitere Chöre in Schwarzenbek existiert haben müssen. Die Schwarzenbeker "Concordia" und der "Gemischte Chor" aus Schwarzenbek.

Zuvor hatten die Sänger der Schwarzenbeker Liedertafel vom 30. Mai bis zum 1. Juni 1896 an dem großen Ratzeburger Sängerfest teilgenommen, das aus Anlaß des 50jährigen Bestehens des Gesangvereins "Feierabend Ratzeburg" stattfand und zu dem über 30 Chöre erschienen waren.

Groß wurde das 80jährige Bestehen des Vereins am Sonnabend, dem 28., und Sonntag, dem 29. Juni 1924, gefeiert. Ein Festkonzert aus diesem Anlaß brachte Vorträge von 23 verschiedenen Chören aus Schwarzenbek und Umgebung. Der 1966 verstorbene Rektor Schlottmann, seinerzeit Dirigent der Liedertafel, hielt aus diesem Anlaß eine Festrede, aus der wir wie folgt zitieren:

"Aus der Niederschrift vom 9. Mai 1848 geht hervor, daß der Verein für den 1. Tenor keinen Sänger hatte. Da war es der später als Präses genannte Tierarzt Dr. Buuck, der durch seinen Eintritt vom 2. Tenor in den 1. Tenor die Fortsetzung der Gesangsübungen ermöglichte. Protokolle der späteren Jahrzehnte sind nicht auffindbar, doch steht fest, daß die Sachsenwalder Liedertafel sich an der Begründung des "Niedersächsischen Sängerbundes" beteiligte. Im Jahre 1880 hieß der Verein wieder "Schwarzenbeker Liedertafel".

Oft litt diese unter finanziellen Schwierigkeiten, die aber besonders von dem Mitgliede Kaufmann H. Kampff (1. Vorsitzender von 1924-1942, Nachfolger von Emil Lüdemann und späteres Ehrenmitglied) beseitigt wurden. Mit der Weiterentwicklung der Liedertafel sind ferner eng verknüpft die Namen der Vorsitzenden Vollratte, Lütjens, Barth und die Dirigenten Holdmann und Fokuhl.

Foto 1896
Die Schwarzenbeker Liedertafel beim
großen Ratzeburger Sängerfest
vom 30. Mai bis zum 2. Juni 1896

Es fehlte nie an tatkräftigen und opferwilligen Männern, die für das Fortbestehen der Liedertafel das regste Interesse zeigten. Leider mußten während des großen Völkerringens von 1914-1918, in dem von den aktiven Mitgliedern der langjährige Kassierer Karl Steffen und O. Hümpel ihr Leben für das Vaterland dahingaben, die Sänger ihre regelmäßigen Übungen einstellen und waren bei Liederabenden für wohltätige Zwecke und bei Gottesdiensten auf die Mitwirkung der Damen angewiesen.

Dankbar wollen wir heute aller derer gedenken, die in unentwegter Treue an der Parole "Pflege des deutschen Liedes" festhielten. Wir wissen ja alle, warum dies die Losung aller Sänger ist. Kennen wir als gute Deutsche doch die eigenartige Macht des deutschen Liedes".

Es ist nicht überliefert, aus welchem Grunde dieses Jubiläum 1924 gefeiert wurde - vermutlich ist es auf die Weltwirtschaftskrise im Jahre 1923 zurückzuführen. Nach der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus im Jahre 1933 erging vom "Deutschen Sängerbund" ein Erlaß, der den Vereinen vorschrieb, in den Vorständen die "Gleichschaltung" durchzuführen, d.h. mindestens 51% der Vorstandsmitglieder mußten die Gewähr dafür bieten, daß sie national eingestellt sind. Sangesbruder Krohmann, der damals das Amt des Schriftführers innehatte, berichtete darüber wie folgt:

Foto 1924
Zur Erinnerung an die Feier des
80jährigen Stiftungsfestes der
Schwarzenbeker Liedertafel von 1843
am 28./29. Juni 1924

"Für unseren Verein hätte sich eigentlich die ganze Sache erübrigt, weil der Gesamtvorstand national eingestellt war, dennoch mußte der Vorschrift Genüge geleistet werden. Um die Angelegenheit schnell und schmerzlos zu erledigen, traten die anwesenden Vorstandsmitglieder geschlossen zurück und stellten ihre Ämter zur Verfügung. Die Versammlung ernannte einen kommissarischen Wahlleiter und wählte einstimmig den bisherigen Vorstand wieder. Damit war die Gleichschaltung vollzogen, und alles blieb beim Alten."

Portrait Hermann Kampff
Hermann Kampff
Vorsitzender 1924 - 1942

Vom 28. Juli bis 1. August 1937 nahm eine Abordnung der Schwarzenbeker Liedertafel an dem 12. Deutschen Sängerbundfest in Breslau teil. In den letzten Jahren des zweiten Weltkrieges ruhte die Vereinsarbeit. Aufgrund eines aus Privatbesitz stammenden Fotos und eines Prologs zum 100. Stiftungsfest der Schwarzenbeker Liedertafel kann man aber wohl davon ausgehen, daß das 100jährige Jubiläum zumindest in einem bescheidenen Rahmen gefeiert wurde.

Bei Kriegsende kamen der Schwarzenbeker Liedertafel nicht nur wertvolles Notenmaterial und das erste Banner, sondern auch weitere Dokumente durch die englische Besatzungsmacht abhanden. Sämtliche Unterlagen befanden sich seinerzeit in Menrich's Gasthof in der Hamburger Straße. Jegliche Vereinstätigkeit war sofort untersagt.

Im Herbst 1945 war es dann Fritz Reiche, der die Chorarbeit wieder anregte. Am 16. Januar 1947 nahm die Schwarzenbeker Liedertafel mit Genehmigung der Alliierten Militärregierung als vorerst einziger bürgerlicher Verein in der Gemeinde ihr Wirken wieder auf. Neben 40 aktiven Sängern gehörten damals rund 140 passive Mitglieder der Schwarzenbeker Liedertafel an. Dem I. Vorsitzenden Karl Tiedemann gelang es in den darauffolgenden Jahren, das Ansehen der Schwarzenbeker Liedertafel weiter zu festigen.

Foto 1944
Gemeinsames Treffen anläßlich des
100jährigen Stiftungsjubiläums der
Schwarzenbeker Liedertafel von 1843

Im Sommer 1948 übernahm der Musiker und Kapellmeister Lothar Neumann das Amt des Chorleiters von Hans Lorenzen. Die Ausbildung der Sänger erreichte unter seiner Leitung einen Stand, der es dem Chor ermöglichte, an allen gesanglichen Veranstaltungen des Sängerbundes Schleswig-Holstein teilzunehmen. Durch eine besondere Ausgestaltung der Vereinsfeste hat sich der Name "Schwarzenbeker Liedertafel" nicht nur im Heimatort, sondern auch in der Umgebung einen guten Klang erworben, wie das große Interesse aus allen Bevölkerungskreisen zeigte.

Portrait Lothar Neumann
Lothar Neumann
Chorleiter 1948 - 1978

Ein besonderes Ereignis stellte das "CHORTREFFEN OST-WEST" am 6. und 7. Juli 1957 in Lauenburg/Elbe dar, an dem u.a. Chöre aus Schwerin, Gadebusch, Güstrow und Rabensteinfeld teilnehmen konnten.

Plakat Ost-West-Treffen
Plakat zum Chortreffen Ost-West

Am 1. Juni 1958 wurde der "Schwarzenbeker Liedertafel" für die in über hundertjährigem Wirken erworbenen Verdienste um die Pflege der Chormusik und des deutschen Volksliedes von dem damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss die Zelterplakette verliehen und in einem Festakt in der Ostseehalle in Kiel von dem damaligen Schleswig-Holsteinischen Kultusminister v. Osterlob überreicht.

Zelter-Plakette
Verleihungsurkunde zur Zelter-Plakette

Auf der Generalversammlung am 24. 1. 1962 legten der 1. Vorsitzende Karl Tiedemann und der langjährige Schatzmeister Alfred Räth ihre Ämter aus Gesundheitsgründen nieder. Der neugewählte 1. Vorsitzende, Wilhelm Quaack, würdigte ihre außerordentlichen Verdienste um den Verein und ernannte in Übereinstimmung mit der Generalversammlung Karl Tiedemann zum Ehren-Vorsitzenden und Alfred Räth, der 36 Jahre die Vereinskasse vorbildlich geführt hatte, zum Ehrenmitglied.

Portrait Karl Tiedemann
Karl Tiedemann
Vorsitzender von 1948-1962
Portrait Wilhelm Quaack
Wilhelm Quaack
Vorsitzender 1962 - 1970

Ein besonderer Höhepunkt in der Vereinsgeschichte und gleichzeitig das gesellschaftliche Ereignis des Jahres in Schwarzenbek war das 125. Stiftungsfest am 19. Oktober 1968. Sowohl der Festakt am Nachmittag als auch der Festball am Abend waren die Krönung der Vereinsarbeit und zeugten von der großen Beliebtheit, die der Schwarzenbeker Liedertafel aus allen Bevölkerungskreisen entgegen gebracht wurde.

Aktive Sänger 1968
Gruppenbild der aktiven Sänger von 1968

Der damalige Leiter der Realschule und Privatforscher Rektor Ernst Brandt erklärte in seinem Grußwort, daß aus einem alten Zeitungsbericht zu entnehmen sei, daß die Schwarzenbeker Liedertafel zum Neubau der evangelischen Kirche Ende des 19. Jahrhunderts beigetragen habe, indem sie ein Zifferblatt der Kirchturmuhr "ersungen" hatte und mit 135 Goldmark finanzierte. Daraufhin spendete der Vertreter der evangelischen Kirche, Pastor Sonnenschein, den gleichen Betrag in Deutsche Mark der Schwarzenbeker Liedertafel. Der Besuch des Festballes übertraf mit rd. 700 Gästen alle Erwartungen.

Spendenschreiben
Spende der Kirchengemeinde an die Liedertafel

In der Generalversammlung vom 15. Januar 1970 überraschte Sangesbruder Wilhelm Quaack die Chormitglieder mit der Erklärung, das Amt des 1. Vorsitzenden nicht weiter fortführen zu können. Ohne dem Verein untreu zu werden, möchte er die Vereinsführung an einen Jüngeren abtreten, der durch neue Impulse das Fortbestehen der Schwarzenbeker Liedertafel gewährleiste. Trotz starken Bedauerns respektierte die Versammlung diesen Entschluß und dankte ihm für seine Verdienste um die Schwarzenbeker Liedertafel. Zu seinem Nachfolger wurde der bisherige stellvertretende Vorsitzende, Sangesbruder Lothar Scheunemann, gewählt.

In der Jahreshauptversammlung vom 13. Januar 1972 gab es eine Diskussion über die Mitwirkung von Frauen, und man begann "probeweise" die Ehefrauen der Sänger mitsingen zu lassen. Der erste Auftritt als gemischer Chor beim Stiftungsfest im Oktober 1972 fand großen Anklang, so daß man im folgenden Jahr beschloss, Damen als ordentliche Mitglieder aufzunehmen. Somit war der "Gemischte Chor" der Schwarzenbeker Liedertafel von 1843 geboren, denn der Begriff "LIEDERTAFEL", von Carl Friedrich Zelter geprägt, bezieht sich nur auf den reinen Männergesang.

"Ein historischer Augenblick in der langjährigen Geschichte der Schwarzenbeker Liedertafel", so die Worte des 1. Vorsitzenden.

Portrait Lothar Scheunemann
Lothar Scheunemann
Vorsitzender 1970 - 1988

Ein Ereignis von besonderer Bedeutung war die Anschaffung eines neuen Klaviers im Jahre 1974. Dank der tatkräftigen finanziellen Unterstützung aus dem Kreise der aktiven und passiven Mitglieder sowie von Freunden der Schwarzenbeker Liedertafel und der Stadt Schwarzenbek konnte der Kaufpreis von DM 3.400,- aufgebracht werden. Die außergewöhnlich günstige Anschaffung ist den aktiven Mitgliedern Irmgard und Axel Döhler zu verdanken.

Um die passiven Mitglieder den aktiven gleichzustellen, wurde in der Jahreshauptversammlung vom 22. Januar 1976 beschlossen, diesen das volle Stimmrecht einzuräumen. Von Bedeutung war auch das Jahr 1977, in dem zum erstenmal in der Vereinsgeschichte eine Frau, die Sangesschwester Hannelore Zessin, als Schriftführerin in den Vorstand gewählt wurde.

Ein schmerzliches Ereignis war der Tod des Chorleiters Lothar Neumann im Jahre 1978, der den Chor 30 Jahre geleitet hatte. In diesen 30 Jahren hatte sich Lothar Neumann hervorragende Verdienste um die Entwicklung des Männergesangs und später des "Gemischten Chores" erworben. Gerade in den Anfängen des "Gemischten Chores" hatte Lothar Neumann mit seinen Überarbeitungen des Notenmaterials und Eigenkompositionen maßgeblich zum Erfolg beigetragen. Noch heute gehören diese Werke zum Repertoire.

Gemischter Chor mit Klavier
Der gemischte Chor mit dem neuen Klavier

Mit der Verpflichtung des Kantors und Organisten Dieter Voß als Nachfolger von Lothar Neumann im Januar 1979 änderte sich auch der Charakter des Liedgutes. Bevorzugte man vorher überwiegend Musik aus dem Unterhaltungssektor, wurde der Chor durch die neue Form der gezielten stimmbildenden Übungen schon bald in die Lage versetzt, neben Volksliedern auch Madrigale, Spirituals und Chorwerke namhafter Komponisten wie Brahms, Mendelssohn-Bartholdy u.a. in sein Repertoire aufzunehmen.

Bis 1978 waren die jährlichen Stiftungsfeste die Höhepunkte im Vereinsleben. Jetzt ging man daran, den musikalischen Rahmen weiterzustecken. Jährliche Chor- und Weihnachtskonzerte wurden zu ständigen Einrichtungen. Das erste große Chorkonzert fand am 17. Juni 1980 statt.

Um der Schwarzenbeker Liedertafel endlich den Status eines rechtsfähigen Vereins zu verschaffen, wurde die Eintragung in das Vereinsregister und gleichzeitig die Gemeinnützigkeit beantragt. Hierzu war es zunächst erforderlich, die bis dahin gültige Satzung grundlegend zu überarbeiten. Die vollkommen neue Satzung wurde von der außerordentlichen Mitgliederversammlung am 12. Februar 1981 genehmigt. Besonders hervorzuheben ist der § 5, in dem es heißt: "Aktives Mitglied kann jede stimmbegabte Person sein, die das 16. Lebensjahr vollendet hat." Damit wurde erreicht, dass auch jungen Menschen der Eintritt in den Chor ermöglicht wird. Der Vereinsname lautet seitdem "SCHWARZENBEKER LIEDERTAFEL v. 1843 e.V"

Portrait Dieter Voß
Dieter Voß
Chorleiter 1978 - 1987

Bereits 1982 wurde das 140-jährige Jubiläum der Schwarzenbeker Liedertafel und das 10-jährige Bestehen des "Gemischten Chores" vorbereitet. Der Jubiläumsball am 19. März 1983 war ein großer Erfolg und wurde von über 300 Personen besucht.

Das Jubiläumskonzert fand am 12. Juni 1983 unter Mitwirkung des Solisten Rolf Stölting (Tenor) und des Pianisten Klaus Weidmann statt. Im Mittelpunkt dieses Konzertes standen Chor- und Sololieder der Romantik. Bei diesem Auftritt zeigte sich der "Gemischte Chor" erstmalig in einheitlicher Chorkleidung: Blaue Blusen, blaue Hemden.

Plakat Jubiläumskonzert 1983
Plakat zum Jubiläumskonzert

Nach jahrelangen Proben in guter Besetzung, vielen erfolgreichen Konzerten und einem großen Freundeskreis war es kein allzu wagemutiges Vorhaben, die Leistungen des Chores auf einem Tonträger zu verewigen. Und so wurde am 9. und 10. September 1983 eine Langspielplatte mit deutschen und europäischen Weihnachtsliedern sowohl in der katholischen als auch in der evangelischen Kirche in Schwarzenbek aufgenommen.

Weihnachtskonzert 1983
Der gemischte Chor beim Weihnachtskonzert 1983 in der Franziskus-Kirche

Auf Anregung des Chorleiters wurde im Jahre 1984 zum ersten Mal ein Chorwochenende in der Lüneburger Heide durchgeführt. Neben der intensiven Probenarbeit war gleichzeitig beabsichtigt, die Gemeinschaft unter den Sängerinnen und Sängern weiter zu fördern. Die Chorwochenenden sind zu einer ständigen Einrichtung geworden.

Das Jahr 1987 stand auch bei der Schwarzenbeker Liedertafel ganz im Zeichen des 125jährigen Bestehens des Deutschen Sängerbundes und des Sängerbundes Schleswig-Holstein. Aus diesem Anlaß fand am 12. September 1987 ein eindrucksvolles Konzert unter Mitwirkung des Orchesters der Kreismusikschule Herzogtum Lauenburg statt.

Chorwochenende
Teilnehmer des Chorwochenendes 1984

Der "Gemischte Chor" der Schwarzenbeker Liedertafel von 1843 e.V. nahm auch an einer Vorentscheidung zum HOLSTEN-Chorwettbewerb des Sängerbundes Schleswig-Holstein am 14. November 1987 in Trittau teil und erreichte hier einen hervorragenden 3. Platz. Landesweit wurde ein beachtlicher 8. Platz belegt.

Um dem Chor auch optisch ein wertvolles Aussehen zu verleihen, wurde in diesem Jahr eine neue, einheitliche Chorkleidung angeschafft, die bei den Konzerten großen Anklang fand.

Der seit 9 Jahren tätige Chorleiter Dieter Voß verließ mit Ende des Jahres den Verein. Der Kantor und Organist, der den "Gemischten Chor" der Schwarzenbeker Liedertafel auf einen hohen Leistungsstand gebracht hatte, konnte aus beruflichen Gründen dieses Amt nicht weiter ausüben.

Urkunde HOLSTEN-Chor-Wettbewerb
HCW-Urkunde

Auf der Mitgliederversammlung am 21. Januar 1988 wurde Clemens Bergemann, 25jähriger Student der Musikhochschule Hamburg, als neuer Chorleiter verpflichtet. Die vorhergehenden Probenabende hatten gezeigt, daß Clemens Bergemann seine Zielvorstellungen, die Qualität des Chores zu steigern und die Sängerinnen und Sänger an neues Liedgut heranzuführen, aufgrund seiner Ausbildung und seines Talents verwirklichen kann.

Die Ausrichtung des Sängertages des Sängerbundes Schleswig-Holstein am 14. und 15. Mai 1988 stellte nicht nur für die Schwarzenbeker Liedertafel, sondern auch für die Stadt Schwarzenbek ein großes Ereignis dar.

Ein weiterer Höhepunkt des Jahres 1988 war das "FRÖHLICHE CHORFEST" am 11. Juni in Wotersen, an dem neben dem "Gemischten Chor" der Schwarzenbeker Liedertafel sieben weitere Chöre teilnahmen, und das demonstrierte, wieviel Freude das Singen bereitet.

Wie bereits 3 Jahre vorher angekündigt, kandidierte der Sangesbruder Lothar Scheunemann nicht wieder für das Amt des Vorsitzenden. Damit ging eine Aera für die Schwarzenbeker Liedertafel zu Ende. Nach 19 Jahren in diesem Amt und insgesamt 30 Jahren Vorstandsarbeit - vom Mitglied des Festausschusses über Schriftführer, Kassenprüfer, Kassenwart, stellvertretender Vorsitzender bis zum Vorsitzenden - sei es an der Zeit, so Lothar Scheunemann, die Geschicke des Vereins in jüngere Hände zu legen.

Clemens Bergemann
Clemens Bergemann
Chorleiter 1988 - 19..

Lothar Scheunemann, seit 1953 Mitglied der Schwarzenbeker Liedertafel, hat in den 19 Jahren seines Vorsitzes ganz neue Akzente gesetzt und den Verein entscheidend geprägt, so daß der Name Schwarzenbeker Liedertafel mit seinem gleichzusetzen war. In Anerkennung seiner Verdienste wurde er zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Zu seinem Nachfolger wurde am 12. Januar 1989 der bisherige stellvertretende Vorsitzende, Manfred Maschke, gewählt, der hiermit ein schweres Erbe antrat.

Aufgrund der Beziehungen des Chorleiters Bergemann ergaben sich neue Möglichkeiten, Chorwerke unter Mitwirkung von Solisten und Orchester der Musikhochschule Hamburg aufzuführen. Das führte zu einer Bereicherung im Musikleben der Stadt Schwarzenbek. Zu nennen ist beispielsweise die Aufführung der Kreuzstab-Kantate von Johann Sebastian Bach.

Bereits 1987 hatte sich die Schwarzenbeker Liedertafel bemüht, das Konzert mit der Deutschen Messe von Franz Schubert auch in Mirow/Mecklenburg aufzuführen, was allerdings an den widrigen Umständen in der damaligen DDR scheiterte. Nach der Grenzöffnung konnte dieses Vorhaben endlich am 12. und 13. Mai 1990 unter Mitwirkung des dortigen Posaunenchors verwirklicht werden. Die Einnahmen aus diesem Konzert sowie Spenden der Chormitglieder wurden zur Renovierung der Mirower Kirche zur Verfügung gestellt. Ein Gegenbesuch des Mirower Posaunenchores erfolgte anläßlich des Weihnachtskonzertes im Dezember.

Manfred Maschke
Manfred Maschke
Vorsitzender 1989-1991

Im Rahmen der Städteverbrüderung der Stadt Schwarzenbek fand am 29. September 1990 ein gemeinsames Konzert mit dem gemischten Chor "CON BRIO" aus Delfzijl/Holland statt. Ein Höhepunkt dieses Konzertes war die Aufführung der Kantatenprobe aus der Oper "Zar und Zimmermann" von Albert Lortzing durch den "Gemischten Chor" der Schwarzenbeker Liedertafel und den Bassisten Manfred Sabrowski.

"Bei dieser Darbietung fühlte sich das Publikum in eine Opernaufführung versetzt. Spiel und Gesang waren so eindrucksvoll, daß es die Konzertbesucher nicht länger auf ihren Sitzen hielt und mit stehenden Ovationen den Akteueren dankte. Selten wurde deutlicher, welche Kapazitäten in einem Laienchor stecken", so ein Pressebericht der Lübecker Nachrichten vom 2. Oktober 1990.

Programmheft H1990
Programmheft zum Herbstkonzert 1990

Bereits im Januar 1991 befaßte sich die Mitgliederversammlung der Schwarzenbeker Liedertafel mit dem Konzept für das Jubiläumsjahr 1993, das von einer Arbeitsgruppe unter der Leitung des Ehrenvorsitzenden Lothar Scheunemann erstellt worden war. Durch eine großzügige Spende der Kreissparkasse Herzogtum Lauenburg konnte in diesem Jahr auch ein langgehegter Wunsch erfüllt und die Vereinsfahne aus dem Jahre 1895 restauriert werden.

In der Mitgliederversammlung vom 9. Januar 1992 teilte der Vorsitzende, Manfred Maschke, mit, daß er für eine Wiederwahl nicht mehr zur Verfügung stehe. Die Versammlung dankte ihm für die geleistete Arbeit und wählte Walter Eggers zum neuen Vorsitzenden.

Walter Eggers
Walter Eggers
Vorsitzender 1992-199.

Das herausragende Ereignis dieses Jahres war unbestritten die Tonträger-Aufnahme am Wochenende vom 15.-17. Mai 1992 in Wernigerode/Harz anläßlich des Jubiläums 1993. Lange hatte sich der Chor musikalisch und terminlich hierauf vorbereitet. Drei lange Tage wurde unter harten Profi-Bedingungen im Tonstudio des Rundfunk-Jugendchores, Wernigerode, gearbeitet. Den Sängerinnen und Sängern wurde nicht nur in musikalischer, sondern auch in konditioneller Hinsicht viel abverlangt. Das Ergebnis kann sich hören lassen. Diese Produktion, eine Musik-Kassette, bot einen Querschnitt des breitgefächerten Repertoires wie Madrigale, Volksweisen, Spirituale und Opernchöre. Aus dem Verkaufserlös wurde ein Betrag an die Fördergemeinschaft Kinderkrebshilfe e.V., Hamburg, abgeführt.

Tonstudio
Tonstudio in Wernigerode
Tonaufnahmen
Pause zwischen den Tonaufnahmen

Ein musikalischer Leckerbissen war das Weihnachtskonzert am 27. November 1992 unter Mitwirkung des Chores der Akademie Warschau. Das Konzert fand ebenfalls zugunsten der Fördergemeinschaft Kinderkrebshilfe e.V., Hamburg, statt.

Der Auftakt zum Jubiläumsjahr 1993 war am 23. Mai ein Frühlingskonzert mit dem Kinderchor der Grund- und Hauptschule Nord-Ost, dem VHS-Chor "Sing Sang Song" und dem Männerchor der WILHELM FETTE GMBH, Schwarzenbek. Es war erfrischend mitzuerleben, mit welcher Begeisterung besonders der Kinderchor dieses Konzert bereicherte.

An dieser Stelle sei an alle politisch Verantwortlichen ein Appell gerichtet, daß das Schulfach "MUSIK" mit genügend Unterrichtszeit ausgestattet bleibt. Die Schüler von heute sind die Mitglieder der Chöre von morgen!

Programmheft W1992
Programmheft zum Adventskonzert 1992

Die Tatsache, daß die "Schwarzenbeker Liedertafel von 1843 e.V." im Jahr 1993 ihr 150. Jubiläum feiern konnte, ist ein Zeichen dafür, dass auch in unserer heutigen Zeit -allen Einflüssen der Massenmedien zum Trotz - das alte und das neue Liedgut noch gepflegt wird.

Kein geringerer als Ludwig van Beethoven hat einmal gesagt: "Das schönste Instrument ist die menschliche Stimme!".




... wird fortgesetzt.
Gesamtchor 1993
Gesamtchor im Jubiläumsjahr 1993