In einer Zeit des Fernsehens und anderer Medien, in der alle Lebensbereiche einer sehr kritischen Um- und Neuorientierung unterzogen werden,
tritt oftmals das Geschehen in den kleineren Gemeinschaften weiter zurück. Und doch entfalten sich gerade in ihnen die bleibenden und wahrhaft
befriedigenden Werte der persönlichen und der menschlichen Verbundenheit im fruchtbaren Streben nach dem gemeinsamen Ziel. So tragen diese
kleineren Verbände auf ihre Art zu einer wahren Volkskultur bei.
Die "Schwarzenbeker Liedertafel" hat während ihrer 165jährigen Geschichte, die mit dem Jahre 1843 beginnt, diese hohe Aufgabe durch ihre
hingebende Pflege des "Deutschen Liedes" und der Chormusik im allgemeinen stets vor Augen gehabt. Wie sie die wechselvollen Jahrzehnte seit
ihrer Gründung in guten und schweren Tagen durchstand, sei nachfolgend dargestellt.
"In Schwarzenbek ist unter dem Namen SCHWARZENBEKER LIEDERTAFEL im Herbste (Oktober) 1843 ein Verein von Männern zusammengetreten, um wöchentlich
einmal unter Leitung eines dazu befähigten Directors zu mehrstimmigen
Gesangsübungen zusammen zu kommen und sind von denselben unterm heutigen Dato nachfolgende Statuten entworfen und angenommen worden."
So lautet der erste Absatz im Gründungsprotokoll der uns überlieferten Statuten. In dem damals noch sehr ländlichen und stillen Schwarzenbek strebte
man nach einer guten menschlichen und geselligen Dorfgemeinschaft. So ging der Anstoß zur Gründung des Vereins gewiß von den alteingesessenen
Familien des Dorfes aus, denn ein Männergesangverein schien zeitgemäß das Gegebene. Für das Entstehen dieser frühen Vereine mögen auch landespolitische
Gründe eine Rolle mitgespielt haben, sammelten sich doch zu jener Zeit in den politisch unverdächtig erscheinenden Gesangvereinen patriotisch denkende Männer,
die die Herzogtümer Schleswig und Holstein von der dänischen Herrschaft zu befreien trachteten. So entstanden 1840 die Uetersener Liedertafel, 1842 die
Vereine in Ratzeburg und Lauenburg, 1843 in Mölln, Schwarzenbek und Trittau und 1844 in Bad Oldesloe. Auf einem Sängerfest in Schleswig wurde übrigens 1844
zum ersten Male das "Schleswig-Holstein-Lied" gesungen.
Die Gründungsversammlung der "Schwarzenbeker Liedertafel" bestand aus 35 aktiven Mitgliedern, darunter gibt es viele Familiennamen, die heute noch
in unserer Stadt vertreten sind. Der erste Vorstand wurde aus den Herren Hofjägermeister von Binzer, Förster Thaulow, Apotheker Block und Sekretär Voigt gebildet.
Durch Beschluß der Generalversammlung vom 23. Dezember 1844 wurde der Name des Vereins in "Sachsenwalder Liedertafel" geändert, wohl weil die
Sachsenwaldgemeinden Brunstorf, Aumühle, Dassendorf, Friedrichsruh, Kasseburg und Basthorst einen großen Teil der Mitglieder stellten.
Am 10. Januar 1845 wurde die Anfertigung eines Banners beschlossen und einem Hamburger Maler die Ausführung übertragen.
Die Kosten wurden durch freiwillige Beiträge der Vereinsmitglieder aufgebracht und das Banner nach Ablieferung am 24. Januar 1845 mit 150 Mk. Curant bezahlt.
Eckpfeiler in den ersten Jahrzehnten des Vereinslebens war die Entstehung der ersten überlieferten Satzungen, gewissermaßen als Symbol der gesunden
Weiterentwicklung. Einige Besonderheiten aus diesen Satzungen seien hier wiedergegeben:
"In dem Willen der Gesamtheit geht der Wille des Einzelnen unter und hat sich demnach jeder Einzelne den Beschlüssen der Gesamtheit zu unterwerfen.
Als Mitglied kann jeder sich anständig betragende Mann, ohne Unterschied des Standes, aufgenommen werden, jedoch muß der Betreffende eine angemessene
Stimme und einige musikalische Bildung besitzen, worüber der die Singübungen leitende Director zu entscheiden hat.
Zu den Singübungen versammeln sich sämtliche ordentlichen Mitglieder der Liedertafel in dem dafür bestimmten Locale jeden Dienstag Abend so früh,
daß präzise 7 Uhr nach der Amtsuhr die Singübungen beginnen können. Während der Gesangsübungen darf nicht geraucht, nichts verzehrt werden und auch
Hunde entfernt zu halten sind!
Zu den Vereinsfesten kann jedes Mitglied eine Dame und jede Witwe einen Herrn einführen. Weitere erwerbsfähige Söhne über 20 Jahre können nicht eingeführt werden."
Nichterscheinen zu den Übungsabenden ohne triftige Entschuldigung wurde mit einem Bußgeld von 4 Schillingen geahndet, desgleichen Zuspätkommen zu den
Übungsabenden mit einer Strafe von 2 Schillingen. Sehr schnell stieg die Zahl der aktiven und passiven Mitglieder, obwohl die Aufnahmebedingungen recht
streng waren: Jeder Aufnahmesuchende mußte mindestens zwei Bürgen benennen, die seinen Antrag unterstützten und sich für das betreffende Neumitglied verbürgten.
Durch Ballotement, einem Abstimmungssystem mit weißen und schwarzen Kugeln, wurde über den jeweiligen Aufnahmeantrag entschieden. Aktive Mitglieder mußten
sich einer musikalischen Eignungsprüfung unterziehen, und die Mitgliedsbeiträge und das sogenannte Eintrittsgeld waren für die damaligen Verhältnisse ganz
beachtlich.
Geschäftsleute, Beamte, Pastoren und sonstige Honoratioren aus Schwarzenbek und den umliegenden Gemeinden rechneten es sich zur Ehre an, dem Schwarzenbeker
Männergesangverein anzugehören. So finden wir unter den damaligen Mitgliedern auch Namen bekannter Adelsträger, wie v. Moltke, v. Waßmer, v. Vetho,
Graf v. Ahlefeld, v. Rumohr und Amtmann v. Brackel. Entscheidend für die Aufnahme waren jedoch nicht Rang und Namen, sondern allein die musikalische und
moralische Befähigung.
Bald wurde der Schwarzenbeker Männergesangverein zum Mittelpunkt kulturellen Wirkens für Schwarzenbek und die umliegenden Gemeinden.
Auf der Generalversammlung vom 16. Februar 1858 wurde der Beschluß gefaßt, den Verein wieder unter seinem alten Namen "Schwarzenbeker Liedertafel"
weiterzuführen. Die Protokolle aus den Jahren 1865-1881 sind leider nicht mehr auffindbar, jedoch vermitteln uns Programme und Korrespondenz aus den
späten Jahren sowie die Mitbegründung des "Niedersächsischen Sängerbundes" am 10. Juni 1862 durch unseren Verein eine Vorstellung von der Aktivität und
dem Wirken desselben.
Noch 1890 war es Vorschrift, daß die Vereinsstatuten einer amtlichen Beglaubigung unterlagen. So wurden die neugefaßten Statuten vom 5. Juni 1890 durch den
damaligen Amtsvorsteher wie folgt beglaubigt: "Gegen diese Satzungen ist polizeilicherseits nichts zu erinnern." Nach außen trat der Verein wiederum
durch seine frohen Feste, seine Teilnahme an Jubiläen und Sängerfesten der benachbarten Vereine sowie durch die Ausschmückung froher und trauriger Anlässe
im Gemeinschaftsleben in Erscheinung.
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